„Jenseits der Wege ist Tierland“ – Nationalpark wirbt mit Video für rücksichtsvolles Verhalten beim Wandern
27.07.2021: Mit dem aktuellen Videoclip «Jenseits der Wege ist Tierland» zeigt die Nationalparkverwaltung Sächsische Schweiz, warum es so wichtig ist, beim Wandern auf den gekennzeichneten Wegen zu bleiben. Dazu wechselt sie in die Perspektive störungssensibler Tierarten.
Warum bemerken wir Menschen häufig nicht, wenn wir Tiere in ihrem Lebensraum stören? Viele Tierarten sind dem Menschen in ihren Sinnesleistungen weit überlegen – sie hören besser, riechen besser und sehen besser! Während wir noch unser Auto am Wanderparkplatz abstellen, haben uns bereits die ersten Greifvögel in über einem Kilometer Entfernung wahrgenommen und ziehen sich zurück. So geht es vielen Tierarten, insbesondere den eher seltenen und sensiblen Vertretern des Nationalparks, wie zum Beispiel dem Schwarzstorch.
Was können wir tun? Neben der Lärmbelästigung ist es entscheidend, nur die gekennzeichneten Wanderwege zu nutzen. Solange sich Wanderer*innen wiederkehrend auf den gleichen Wegen aufhalten, können sich viele Tierarten an deren Anwesenheit gewöhnen. Damit ist ein Miteinander von Mensch und Natur in einem Nationalpark möglich. In manchen Nationalparks sind Tiere deshalb wieder für Besucher erlebbar.
Dennoch gibt es Gäste im Nationalpark, die die Wegekonzeption im Nationalpark aus den unterschiedlichsten Gründen nicht beachten – Unwissenheit, die Suche nach dem Abenteuer, Einsamkeit oder einem vermeintlich einzigartigen, schönem Foto. Für störungssensible Tierarten stellt diese unerwartete und unvorhersehbare menschliche Anwesenheit abseits der „gewohnten“ Wanderwege eine massive Störung dar. Diese kann auf Dauer zu chronischem Stress, einer höheren Anfälligkeit für Krankheiten und vermindertem Fortpflanzungserfolg führen. Am Ende steht ein Populationsrückgang. Der Nationalpark ist für diese Arten nicht mehr als Lebensraum geeignet. Das tragische dabei ist, dass viele Menschen in der Regel die Störungen unbewusst verursachen und die negativen Auswirkungen auf wildlebende Tiere gar nicht bemerken.
Der Nationalpark Sächsische Schweiz steht in der Verantwortung, einen Überlebensraum für störungssensible Tierarten bereitzustellen. Dennoch gab es in den letzten Jahren starke Rückgänge der Schwarzstorch-, Uhu- und Wanderfalkenpopulation. Der Fortbestand dieser Arten hat einen Kipppunkt erreicht. Sollten sich die Populationszahlen nicht bald wieder positiv entwickeln, drohen diese Arten auszusterben. Für den Wanderfalke wäre das das zweite Mal nach der Wiederansiedlung in den 90er Jahren.
Es liegt am Verhalten jedes einzelnen von uns, dass diese Charakterarten hier weiterbestehen. Die Beachtung des Wegegebots ist ein wichtiger Baustein dazu.
Deswegen bitten wir darum, ausschließlich das gekennzeichnete Wegenetz im Nationalpark Sächsische Schweiz zu nutzen. Auf über 400 km Wegen und rund 100 Aussichtspunkten gibt es für jeden Geschmack etwas zu entdecken. Mit etwas Glück dann vielleicht auch wieder mal eine der seltenen Tierarten. Geben wir der Natur den Raum, den sie dringend als Rückzugsort, Jagdrevier und Kinderstube braucht, Raum zum (Über-)leben. Jenseits der Wege ist Tierland!
Hintergrund:
Im Nationalpark Sächsische Schweiz gibt es ca. 25 störungssensible Wirbeltierarten, fast die Hälfte davon sind Vogelarten. Diese haben einen verhältnismäßig großen Raumanspruch und ausgezeichnete optische, akustische und/oder Geruchs- Sinnesleistungen. Die Fluchtdistanzen von beispielsweise Schwarzstörchen, Waldohreulen und Uhus sind mit 500 Metern sehr groß – eine Entfernung, aus der ein Mensch diese Tiere selbst mit technischen Hilfsmitteln noch gar nicht wahrnehmen kann.
Beispiele aus dem Schweizer Nationalpark zeigen, dass Tiere einen Lebensraum trotz vieler Besucher annehmen können und sogar für die Menschen erlebbar werden, wenn niemand von den gekennzeichneten Wegen abweicht. Die Berechenbarkeit des menschlichen Verhaltens ist der Schlüssel für diesen Effekt. Berechenbarkeit führt dazu, dass Tiere sich sicher fühlen, weiter in Ruhe ihre Nahrung suchen, Jungtiere aufziehen und keine Veranlassung zur Flucht empfinden.
Wird aber eine Flucht durch Abweichen vom Weg ausgelöst, aktiviert dies eine Reihe physiologischer Mechanismen im Organismus. Diese enorme Stressreaktion führt zur Ausschüttung von Stresshormonen (z.B. Adrenalin) sowie zur Aktivierung von Energiereserven. Die für die Flucht aufgewendete Energie fehlt an anderer Stelle, beispielsweise für die Aufzucht der Jungtiere oder während Zeiten mit weniger Futterangebot aber auch für die Abwehr von Krankheitserregern.