Ein Mosaik von Natur- und Kulturlandschaften
Der Mensch hat in den vergangenen Jahrhunderten deutliche Spuren in der Sächsischen Schweiz hinterlassen. Noch zu Beginn des 17. Jahrhunderts bestimmten naturnahe Buchen- und Eichenmischwälder mit Weißtanne und Kiefernwälder auf trockenen Felsriffen das Bild der Landschaft. Später waren es Fichtenreinbestände (Monokulturen) – Um den großen Holzbedarf der Bevölkerung decken zu können, pflanzten mehrere Generationen von Forstleuten schnellwachsende Fichten an. Die einst häufige Weißtanne starb in dieser Zeit fast aus. Die vom Menschen überformte Landschaft wird auch als Kulturlandschaft bezeichnet.
Nur die zerklüfteten und schwer zugänglichen Felsbereiche, steilen Hänge und Basaltkuppen blieben bis heute weitgehend unverändert. In diesen teils seit langem als Naturschutzgebiet recht abgeschirmten Bereichen, sind zahlreiche naturnahe Waldgesellschaften, Felsbiotope und Fließgewässer erhalten geblieben. Man kann sagen, dass in diesen naturnahen Landschaften mit ihren knorrigen Kiefern- und alten Buchenwäldern das Nationalpark-Prinzip „Natur Natur sein lassen“ weitestgehend immer gegolten hat.
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Prozessschutz: Natur Natur sein lassen
„Natur Natur sein lassen“ lautet das Motto der Nationalparke weltweit. Aber was bedeutet das genau? Die meisten von uns sind Arten- oder Biotopschutz von Kindesbeinen an vertraut. Prozessschutz geht darüber hinaus und hat zum Ziel, nicht nur Lebensräume zu erhalten, sondern auch den darin ablaufenden Entwicklungen freien Raum zu lassen. Unsere Ökosysteme sind dynamisch und in steter Verbindung miteinander. Geschützte Bereiche, in denen wir als Mensch in die Wechselwirkungen der Natur nicht eingreifen, ermöglichen Flora und Fauna, ihr eigenes Gleichgewicht zu finden. So stellen sich Lebensgemeinschaften ein, die optimal auf ihren Standort angepasst sind und nachhaltig ihre Aufgaben im Ökosystem erfüllen können. Das weltweite „Experiment Nationalpark“ bewährt sich erfolgreich bereits seit 1872, der Gründung des Yellowstone-Nationalparks in den USA.
Flächenmanagement: Die Naturlandschaft entwickeln
Um der vielseitigen Waldgeschichte des Gebietes optimal gerecht zu werden, ist der Nationalpark in verschiedene Zonen eingeteilt, die unterschiedlich behandelt werden. Die Zonierung war mit der Gliederung in Naturzone A/B und Pflegezone dynamisch und wurde bis 2021 der Waldentwicklung nach dem Pflege- und Entwicklungsplan angepasst.
Die Erweiterung des Ruhebereichs auf 75 % der Nationalparkfläche wurde zum 01.05.2021 mit der Bestätigung durch das Sächsische Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft umgesetzt. Der Nationalpark erfüllt damit ein sehr maßgebliches Kriterium für die Schutzgebietskategorie nach IUCN und ist wie folgt gegliedert:
- 76 % Ruhebereich
- 24 % Pflegebereich
Der Pflegebereich umfasst überwiegend randlich am Nationalpark liegende Flächen, auf denen eine dauerhafte Pflege erforderlich ist, sowie Privat- und Kommunalwaldflächen innerhalb des Nationalparks oder Bereiche, in denen Landeswald und Privatwald verzahnt eng ist. Das bedeutet vor allem Verkehrssicherung, also Beseitigung von Gefahren durch umstürzende Bäume in der Nähe von Erholungsschwerpunkten, Wohnhäusern oder öffentlichen Straßen. Zum langfristigen Pflegebereich gehören 24 % der Gesamtfläche des Nationalparks.
Zum Nationalpark gehören auch knapp 100 Hektar staatliche Wiesen, darunter unter anderem die FFH-Lebensraumtypen „Flachlandmähwiesen“. Die Wiesen werden auf 85 % nach einem Pflege- und Entwicklungsplan „Offenland“ und den entsprechenden Vorgaben der FFH-Richtlinien bewirtschaftet.
Der Ruhebereich umfasst die Naturzonen und damit weitgehend noch oder wieder naturnahe Flächen. Hier wird Prozessschutz gelebt: Die Entwicklung der Natur bleibt grundsätzlich ohne nutzende und lenkende Eingriffe ihren natürlichen Abläufen überlassen. Das wird auch als ungelenkte Sukzession bezeichnet. 76 % des Nationalparks sind dem Ruhebereich zugeordnet.
Übrigens: Die im Gelände ausgeschilderte Kernzone betrifft besonders sensible Lebensräume, in denen besonders hohe Rücksicht beim Besuch erforderlich ist, weshalb hier gekennzeichnete Wege nicht verlassen werden dürfen. Die Kernzone ist von Relevanz für Besucherinnen und Besucher, hingegen sind die dynamischen Natur- und Pflegezonen im Gelände nicht gekennzeichnet.
Pflegebereich: Waldpflege im Nationalpark
Gemäß des geltenden Pflege- und Entwicklungsplanes werden Borkenkäfer im Pflegebereich bekämpft, um die Ausbreitung in benachbarte Privatwälder zu verhindern. Daneben erfolgen Verkehrssicherungsmaßnahmen an öffentlichen Straßen und die laufende Herstellung der Passierbarkeit an 140 Kilometern Einsatzwege für Rettungskräfte und Feuerwehren im Nationalpark, sowie entlang von Wanderwegen nach dem internen “Konzept zur Bewältigung der Borkenkäferkalamität an den Wanderwegen des Nationalparks Sächsische Schweiz“. Bei erforderlichen Maßnahmen zur Verkehrssicherung im Ruhebereich wird bis auf wenige Ausnahmefälle auf den Abtransport des Holzes verzichtet. Für die Weißtanne erfolgt weiterhin eine Bestandssicherung als wichtige heimische Waldumbaubaumart sowie die Gewinnung von Saatgut aus zertifizierten Erntebeständen.
Mischungsregulierung: Zugunsten der heimischen Baumarten wie Buche, Birke, Traubeneiche, Kiefer und Weißtanne werden im Pflegebereich gezielt Fichten entnommen. Besonders wichtig war in den letzten Jahrzehnten die Wiedereinbringung der Weißtanne. In den natürlichen Waldgesellschaften im Nationalpark machte sie etwa 15 % der Bäume aus. Insgesamt wurden zwischen 1994 und 2017 knapp 210 Hektar dieser Baumart heimischer Herkunft angebaut.
Verjüngungshiebe dienen der Neuanpflanzung von Weißtanne und Traubeneiche und ermöglichen auch eine Förderung der Naturverjüngung standortheimischer Baumarten. Um von den strukturarmen und gleichartigen Fichtenforsten (Monokulturen) wegzukommen soll eine neue, naturnähere Waldgeneration ohne großflächige Störungen induziert werden. Durch eine feine Steuerung des Lichtes im Bestand wird gleichförmiges Wuchsverhalten strukturiert.
Große Maschinen im Wald: Holzeinschlag wird fast ausschließlich im Rahmen der Verkehrssicherung und der Freihaltung von Einsatzwegen durchgeführt und ist im Nationalpark nur von Mitte August bis Mitte März erlaubt. Er erfolgt kahlschlagsfrei und ohne Kalkung oder Pestizide. Dabei kommen motormanuelle und mechanisierte Einschlagsverfahren zur Anwendung, das Vorliefern des Holzes erfolgt ebenfalls motorisiert oder per Pferd. In der Regel verbleibt das Totholz auf der Fläche und wird nur im Ausnahmefall abtransportiert.
Natürlicher Waldumbau und Borkenkäfer
In den letzten 200 Jahren hat die Forstwirtschaft die Wälder stark verändert. Fichten wurden gepflanzt, wo sie natürlicherweise nicht vorkamen, weil der Standort nicht optimal ist. Die Klimaveränderungen der letzten Jahre – Trockenheit, Hitze und fehlende Niederschläge – sorgen für zusätzlichen Stress in den Fichten. Sie beginnen zu kränkeln. Derart mehrfach geschwächte Bäume können den Borkenkäfer kaum abwehren. Dass die Natur die schwächsten Fichten „aussortiert“ ist ein natürlicher Prozess, in naturfernen Monokulturen aber kann der Borkenkäfer buchstäblich von Baum zu Baum wandern.
Rund 150 Borkenkäferarten gibt es in Europa. Von den dominierenden Fichtenwäldern hat vor allem die Art Buchdrucker profitiert, die genau diese Baumart bevorzugt. Bei günstiger Witterung sind Buchdrucker in der Lage, sich bis zu dreimal pro Jahr zu vermehren. Aus einem Borkenkäferpärchen können bis zu 1000 Tiere werden. Eine so schnell wachsende Population hat die Fähigkeit, einzelne Bäume bis hin zu ganzen Fichtenforsten binnen kurzer Zeit zum Absterben zu bringen.
In den letzten Jahren hat das immense Borkenkäferaufkommen Fichtenbestände stark verändert und für ein komplett neues Waldbild gesorgt. Was wir heute sehen können: Sobald die Fichten kahl sind, beginnt kräftiges Waldwachstum mit verschiedenen Pflanzenarten. Der Naturwald von morgen entsteht, wir sprechen von natürlichem Waldumbau. Im Nationalpark können wir an verschiedenen Flächen alle Phasen der „Baustelle Naturwald“ entdecken, von sterbenden Fichten bis zum jungen Naturwald. Besonders gut geht das auf dem Weg zur Wildnis, dem Waldentwicklungs-Lehrpfad am großen Winterberg.
Die Borkenkäferkalamität erreichte im Jahr 2019 ihren vorläufigen Höhepunkt mit einer Befallsfläche von 820 Hektar und einer Befallsmenge von etwa 360.000 Festmetern. Insgesamt sind im Nationalpark im Jahr 2022 etwa 2000 Hektar betroffen. Die Schwerpunkte verlagern sich zunehmend in den vorderen Teil der Sächsischen Schweiz. Der Anteil an Fichte ist von 50,7 % im Jahr 2012 auf 30,5 % im Jahr 2021 gesunken, sodass mit dem Wegfall der Fichte im Oberstand der Anteil der Laubbäume rechnerisch zunimmt, z.B. Birke auf 14 % und Buche auf 21 % der Fläche. Über die Hälfte der Waldfläche im Nationalpark ist im Unterstand verjüngt. (Quelle: WISA 2021)
Wo genau sich Borkenkäfer zu schaffen machen, behalten die Nationalparkrevierleiter natürlich ständig im Auge. Finden sie Käfer in Bäumen, die im Ruhebereich des Waldes stehen, werden keine Gegenmaßnahmen ergriffen, um dem selbstständigen Walderneuerungsprozess freien Lauf zu lassen. Außerhalb des Ruhebereichs werden betroffene Bäume gefällt und aus dem Wald transportiert, hauptsächlich um angrenzende Flächen anderer Eigentümer vor Käferbefall zu schützen.
Einfluss auf die Waldentwicklung nimmt auch ein Waldbrand im Jahr 2022 in der Hinteren Sächsischen Schweiz auf einem Umgriff von 113 Hektar. Im Nationalpark Böhmische Schweiz waren 1.031 Hektar betroffen. Die beiden Einflussfaktoren Borkenkäfer und Waldbrand werden durch intensives Monitoring begleitet, beispielsweise zum Verlauf der Borkenkäferentwicklung oder zur Besiedelung von Brandflächen mit Pilzen und Käfern.
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